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„In der Atmung sind wir eine Einheit“

Hier teilen wir ein Interview zum Seminar „Atem des Lebens“, das am 18. + 19. April in Kooperation mit der Internationalen Shiatsu Schule (ISSÖ) in Graz stattfinden wird.

ISSÖ: In alten Traditionen wurde immer viel Augenmerk auf die Atmung gelegt, ist das heute auch noch so?

Ingrid Huber: Ich denke, die westliche Medizin hat sich in so viele Spezialbereiche aufgespalten, die jeweils ihren eigenen selektiven Blick auf die Gesundheit – oder vorrangig die Krankheit – des Menschen haben. Dabei ging leider das Verständnis für fundamentale gesundheitsfördernde Vorgänge verloren. Wie zum Beispiel die Atmung. Für die Atmung ist heutzutage der Lungenfacharzt zuständig. Dass es keine einzige Organfunktion ohne unsere Atmung gäbe, wird leider in der Medizin vergessen. Eine freie, tiefe Atmung ist definitiv ein essentieller Faktor für den Erhalt unserer Gesundheit. Insofern plädiere ich dafür, dass das Ermöglichen von tiefer und freier Atmung zu jeder Körperarbeit-Einheit gehören sollte.

 

ISSÖ: Kann ich die „Atmung“ auch in meine Körper-Therapie einbauen?

Ingrid Huber: Ja, auf jeden Fall. Zuallererst nehme ich die Atmung meines Klienten einfach wahr. Dabei ist die Atmung einerseits hörbar und sichtbar, andererseits spüre ich die Atemwelle mit meinen Händen.

 

ISSÖ: Was kann ich mir unter einer Atemwelle vorstellen?

Ingrid Huber: Die Hauptbewegung der Atmung findet im Brustkorb statt, mit dem Zwerchfell als stärkstem Atemmuskel. Wenn die Körpergewebe weich und durchlässig sind, kann ich die Ausläufer dieser rhythmischen Bewegung aber überall im Körper spüren, in den Faszien, in den Gelenken, in den Flüssigkeiten.

Das heißt, das lauschende Spüren mit meinen Händen gibt mir Auskunft über die Atmung des Klienten und gleichzeitig über die Durchlässigkeit der Gewebe. Berührung bewirkt unmittelbar eine Tonusveränderung im Körper und diese Tonusveränderung schafft neue Bedingungen für das Schwingen der Atemwelle. So ist Körperarbeit immer auch Atemarbeit. Wir müssen uns das nur bewusst machen und den Atem in unseren Behandlungen miteinbeziehen. Sie ist ja immer da.

Es gibt noch eine andere „Welle“. In der cranio-sakralen Körperarbeit sprechen wir vom „Atem des Lebens“, das ist eine – ich sage jetzt einmal feinstoffliche – Welle, die unseren Organismus durchzieht, die „uns atmet“. Die Entdecker dieser Welle nannten sie das Geschenk des Lebens. Den Vertretern der alten Traditionen war auch bewusst, dass die Atemwelle und die Lebendigkeit selbst nicht voneinander zu trennen sind.

 

ISSÖ: Gibt es auch direkte Zusammenhänge zwischen Atmung und Psyche?

Ingrid Huber: Ich würde sagen, die Atmung ist das verbindende Element zwischen Psyche und Körpergeweben. In der Atmung sind wir eine Einheit. Sie ist Träger unserer Stimme, sie ist Ausdruck unserer Emotionen.

Das äußert sich fast unbemerkt in einer chronisch flachen, gehaltenen Atmung oder in einem erleichterten Aufatmen. Das äußert sich hörbar durch ein genüssliches Seufzen in der Entspannung, durch impulsives Einatmen in einem Moment des Schreckens und durch laute stimmliche Äusserung in Momenten der Wut oder der Abwehr.

In der Körperarbeit dürfen wir uns immer auch bewusst sein, dass ein Atemmuster ein emotionaler Ausdruck des Menschen ist. Körperarbeit kann noch tiefer gehen, wenn wir diesen Emotionen auf behutsame Weise unsere Aufmerksamkeit schenken.

 

ISSÖ: Kann man in diesem Seminar auch Atemübungen erlernen?

Ingrid Huber: Da die Atmung so etwas Individuelles und Sensibles ist, bin ich starren Übungsabläufen gegenüber etwas skeptisch. Eine Atemübung, die für einen Menschen nicht passt, kann sehr anstrengend sein und noch mehr zu Verkrampfung führen.

Inhalt dieses Seminars wird aber auf jeden Fall sein, wie ich während der Berührungsarbeit eine Klientin zum Atmen und manchmal auch Tönen einladen kann. Und ich werde ein paar einfache Grundprinzipien vorstellen, die wir den Klientinnen als „Atem-Erinnerung“ für ihren Alltag mitgeben können. Mit der Betonung auf „einfach“. Unsere Atmung mag’s nicht zu kompliziert. Sie ist so natürlich wie die Wellen an einem Strand oder die Bewegung des Windes in den Bäumen.

Hier geht’s zum Seminar….