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Was ist Embodiment?

In letzter Zeit bekomme ich Anrufe oder Mails von Personen, die an Integrativer Körperarbeit interessiert sind und die mir erzählen, dass sie von „Embodiment“ gehört oder darüber gelesen haben. Jetzt sind sie interessiert, „das“ auch einmal zu erleben. Es gibt eine wachsende Neugierde, was die Beziehung zwischen Gedanken und Körper anbelangt … oder – ist es vielleicht eher ein wachsendes Bedürfnis? Ich freue mich natürlich, dass die Beschäftigung mit dem Leibbewusstsein ein wenig mehr im Mainstream ankommt. Allerdings stelle ich fest, dass das Wort „Embodiment“ im deutschsprachigen Europa nun mehr gelesen und gehört wird, aber in den Kognitionswissenschaften in einem anderen Sinne verwendet wird als im Feld der englischsprachigen Somatics. Was verstehen wir also unter diesem Ausdruck?

 

Ich erlaube mir zuerst eine kritische Ausführung: eine deutschsprachige Publikation der Autoren Storch, Cantieni und Hüther heißt „Embodiment – die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen“. In diesem Titel ist angedeutet, dass Körper und Psyche als zwei unterschiedliche Aspekte des Mensch-Seins gesehen werden. Außerdem geht es darum, bei der Lektüre des Buches einen Zusammenhang verstandesmäßig zu durchdringen, ihn zu „verstehen“.  (Von „Erfahrung“ ist zuerst einmal nicht die Rede.) Um diesen Zusammenhang in Folge zu „nutzen“. Tatsächlich gibt das Buch Anleitungen, die an Selbstoptimierung und Selbstmanagement denken lassen. Es wird beschrieben, dass „neuronale Netze erschaffen werden müssen, um den Körper erfolgreich als Kontrollpartner einzusetzen…“ (Zitat) Leider steht wieder der Leistungsanspruch im Vordergrund und weniger ein neuer Zugang zu nachhaltiger Gesundheit auf allen Ebenen.

Im Feld der Somatics wird der Begriff Embodiment in zweierlei Sinn verwendet. Zum einen ist Embodiment ein Prozess, eine Übungspraxis. Im Embodiment sind wir mit unserer Aufmerksamkeit bei Empfindungen und Gefühlen im jetzigen Moment. Dabei bleiben wir in Kontakt mit dem, was momentan da ist und wirksam ist. (Wir kümmern uns nicht um das, was sein sollte oder was wir uns wünschen oder was wir am liebsten weghaben wollen).
Die wiederholte, bewusste Selbst-Wahrnehmung bringt uns in Kontakt mit unserer physischen Wirklichkeit und unseren wahren Bedürfnissen, aber auch mit unserer inneren Stimme, mit tiefen Heilungsimpulsen.

Zum anderen wird der Begriff Embodiment auch für das Ergebnis der geübten verkörperten Selbstwahrnehmung verwendet: die Übung des Embodiment lässt uns immer mehr „verkörpert“ sein, damit ist gemeint, dass wir immer mehr in uns selbst ruhen, uns selbst kennen und uns äußern können, uns mit dem Leben und der Erde mehr verbunden fühlen dürfen. Wir können für uns selbst gesündere Entscheidungen treffen und zu uns selbst und unseren Eigenheiten stehen. Embodiment lässt auch unsere Empathie und Beziehungsfähigkeit wachsen.


Embodiment, so wie wir es in der Integrativen Körperarbeit praktizieren, ist ein durchaus präziser und reichhaltiger Vorgang. Wir richten die innere Aufmerksamkeit ganz gezielt auf Körpersysteme und -strukturen, auf Knochen, einzelne Organe, Faszien, unterschiedliche Flüssigkeiten, die Schichten der Haut und sogar auf die Zellen. Wenn wir ein inneres Bild von diesem Ort in uns haben, lassen wir uns im Erleben ganz hineinsinken. Wir „sind“ der Knochen oder das Organ oder die Faszienschicht. Anstatt von oben (aus unserem Verstand) oder außen zu beobachten, verkörpern wir diesen Ort, wir sind hier anwesend, hier ist der Ort, von dem aus wir atmen, uns bewegen und wahrnehmen.

So ist Embodiment immer wieder eine Reise in manchmal unbekannte, manchmal vertraute innere Welten. Für mich ist es eine sanfte, freudige, mich immer wieder staunen lasssende Begegnung mit mir selbst.